Montag, 17. Dezember 2007
Weihnachten an der Bammelecke
Ich hatte es nicht für möglich gehalten, dass es noch kälter hätte werden können. Der bittere Frost kroch mit ungezügelter Erbarmungslosigkeit durch die Spitzen meiner burgunderfarbenen Budapester. Unaufhaltsam fiel der Schnee. Von Zeit zu Zeit klopfte ich ihn mir vom Körper um nicht ganz einzuschneien. Ich fragte mich wie lange es dauern würde bis mein Hut durchnässte.
Der ganze Pseudostrand war nun vollständig weiß, so wie die ganze Umgebung, ja sogar der jetzt zugefrorene Fluss in Gänze weiß war. Die Landschaft hatte etwas, das man(ich ganz bestimmt nicht) als malerisch bezeichnen könnte.
Mein Rücken begann zu schmerzen, vom vielen sitzen auf dem vollen Kasten Sternburg-Diesel unter mir. Mein Blick starrte unbestimmt und ziellos über die große weiße Fläche die sich vor mir erstreckte und fiel nur ab und zu auf die leicht deplazierte, traurig geschmückte Plastiktanne neben mir. Meine Gedanken kreisten wirr und unentschlossen.
Neben dem absolut inakzeptablen Fakt einer definitiv leeren Packung Zigaretten in meiner linken Brusttasche löste auch die Begebenheit um 15:36 am Tag des heiligen Abends am verschneiten Grünauer Badestrand zu sitzen eine Art des Befremdens bei mir aus.
Angestrengt versuchte ich mich zu erinnern wie, wann und vor allem wieso ich hierher gekommen war. Doch meine Bemühungen blieben erfolglos.
Zwar musste ich zu geben, dass meine Situation einer gewissen Komik nicht entbehrte, allerdings war diese wohl eher von jener zwiespältigen Natur, die sich nur dem Außenstehenden und Unbeteiligten erschließt, aus diesem Grunde schloss ich trotz aller humoristischen Ambitionen einen scherzhaften Aktionismus meinerseits aus.
Also wieso war ich hier. Was sollte das ganze.
Instinktiv griff ich in meine Brusttasche und sah in die Schachtel. Sie war leer.
Ich stützte meinen Kopf mit meinem Arm auf meinem Knie ab und verfiel wieder ins Grübeln. Das Problem an der Stille ist, dass man Zeit zum Nachdenken hat. Auf sich selbst zurückgeworfen kann das gefährlich werden. Vorsorglich setzte ich mir eine düstere Miene auf. Grundlos wie sich herausstellte, denn es kamen keine düsteren Gedanken. Bestenfalls trübe.
Ich griff in meine linke Brusttasche und sah in die Schachtel. Sie war leer.
Dann sinnierte ich weiter. Meine Haltung wurde immer unbequemer, sodass ich Bein und Arm wechselte. Der Schnee fiel und ich grübelte.
Irgendwann kam mir wiedereinmal der Gedanke in den Sinn, das vielleicht auch einige Dinge in meinem Leben metaphorisch zu verstehen sind. Eine sicherlich, teilweise, ganz reizvolle Vorstellung aber auch nur das.
Für einen Moment wurde ich etwas ärgerlich darüber, mit was für billigen Allegorien und Sinnbildern mein Leben mir aufzuwarten wagte. Dann wurde ich wieder gleichgültig.
Wieder sah ich in meine Zigarettenschachtel, die offensichtlich ihre sture Einstellung mir gegenüber immer noch nicht aufgegeben hatte und der Schnee fiel.
Meine Rückenschmerzen wurden unerträglich. Endlich erhob und streckte ich mich. Eine ansehnliche Schneeschicht viel von mir ab. Ich griff in meine rechte Brusttasche und holte mein Feuerzeug heraus. Darauf ging ich zwei schritte auf den Plastikweihnachtsbaum neben mir zu, musterte ihn kurz und zündete dann die oberste Kerze an. Unwillkürlich musste ich lachen.

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